Scheringen

Soldaten aus halb Europa in Scheringen? (Die „große” Geschichte und ihre „kleinen” Folgen)

Judith Dürr, Walldürn

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Als in den Jahren 1792-1818 Heerscharen aus halb Europa ihren Weg quer über Deutschland nahmen, streiften sie dabei auch Scheringen. Es waren sicherlich aufregende Zeiten, und die Gefühle der Einwohner werden zwischen Angst und Neugierde geschwankt haben, als fremde Soldaten in dem kleinen Ort Quartier hielten. (Um das nachfolgende besser einschätzen zu können, sollte man wissen, dass Scheringen in dieser Zeit keine 200 Einwohner hatte, z. B. 1813: 186 Einwohner, davon 25 Bürger). Nicht nur die Kinder werden über die fremdländisch aussehenden und in einer „fremden” Sprache sprechenden Krieger gestaunt haben, hielten doch neben den eigenen Landsleuten und anderen „Deutschen Reichsangehörigen” auch Franzosen und Russen in Scheringen Quartier.

Soldaten, sowie deren Pferde, mussten von den Ortseinwohnern dann entsprechend verpflegt werden und, falls es sich um Infanterie handelte, nicht selten mit Ochsen und Pferdewagen (es gab damals in Scheringen 13 Ochsenkarren und einige Pferdewagen) zum nächsten Etappenziel transportiert werden (= Vorspänne).

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Vorspannsbescheinigung 1818

Spätestens jetzt ist es notwendig, einiges über die geschichtlichen Hintergründe zu erläutern, die dazu geführt haben, dass Heere aus dem Westen Europas nach Osten, und später solche aus dem Osten nach Westen gezogen sind, und dabei auch in das Leben der Scheringer eingegriffen haben.

Das Heilige Römische Reich gegen Napoleon

Die zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen des ausgehenden 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts und die daraus resultierenden Wechsel der Herrschaftsverhältnisse, nahmen ihren Ausgang in Frankreich mit dem Sturm auf die Bastille (am 14. Juli 1789) und der daran anschließenden Herrschaft Napoleons.

Als Scheringen um das Jahr 1792 die ersten Auswirkungen der militärischen Truppenbewegungen zu spüren bekam, gehörte der Ort noch zu Kurmainz und über seinen Landesherrn, den Kurfürsten und Erzbischof von Mainz, Friedrich Carl von Erthal, zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Der für Scheringen zuständige „kurmainzische Centgraf” hatte seinen Sitz in Mudau. Dies bedeutet, daß auch die Abrechnung aller erbrachten Kriegsleistungen sowie die Aushebung der Soldaten über Mudau zu erfolgen hatte.

Das Heilige Römische Reich, und damit auch Kurmainz, kämpfte seit dem Ausbruch des l. Koalitionskrieges (1792) gegen Frankreich, wobei der Hauptgrund für diese Auseinandersetzung wohl in der Angst der deutschen Landesherrn vor einem Ausbreiten der Revolutionsideen auch auf Deutschland begründet lag.

In diesen ersten Kriegsjahren waren es vor allem Soldaten der Verbündeten, aber auch eine stattliche Anzahl Franzosen, für die Scheringen Versorgungsleistungen (Quartier, Mundportionen, Pferdefourage und Vorspänne) zu erbringen hatte.

Es ist in der Scheringer Kriegskostenrechnung von 1793-1800 sogar ziemlich genau vermerkt, welche Regimenter hier Stationen gemacht haben. So waren z. B. im Jahr 1793 folgende Regimenter:

im Januar
Regiment Michel Wallis, 22 Mann

im Juli
Regiment Wenzel Colloretto, 86 Mann

im Oktober
verschiedene Regimenter, 211 Mann

im Oktober
Regiment von Kleberg, 115 Mann

Insgesamt waren, wie die Scheringer Kriegskostenrechnung für die Zeit von 1793-1800 angibt, 1575 Soldaten „verschiedener Deutscher” Regimenter und außerdem 797 Franzosen in Scheringen einquartiert. Besonders hart wird die Einwohner die Einquartierung von 513 Franzosen getroffen haben, die immerhin 27 Tage (vom 16. September – 11. Oktober 1796) dauerte.

Die o.g. Zahlen geben nur die einfachen Soldaten an. Die Offiziere („Kaiserliche” und „Französische”) wurden bei besser gestellten Ortseinwohnern oder im Gasthaus untergebracht.

So verschieden in ihrer Nationalität wie die einzelnen Soldaten waren, so unterschiedlich waren auch die Forderungen, die man für die Verpflegung der Soldaten in Rechnung stellen konnte. Die Scheringer Kriegskostenrechnung führt hierzu an: „Nach dem Fränkischen Kreisschlus wurde auch die Mundportion mit 8 Kreuzer und die Pferd Ration mit 18 Kreuzer bezahlt allein aber nach zwischen Kur Mainz und den K.K. und sonstigen Reichs Völker getrofen Convention hat man die Mundportion auf 14 Kreuzer und die Pferd Ration auf 28 Kreuzer festgesetzt. Anno 1796 Regulierten die Kursächsischen Truppen die Mundportion auf 18 Kreuzer die schwere Pferdration auf 45 1/2 Kreuzer und die Leichte auf 35 1/2 Kreuzer.

Das Nürnberger Kontingent zalt die Mundportion mit 15 Kreuzer. Die Hessen Darmstädter zahlen für die Mundportion 15 Kreuzer für eine Schwächre Pferd ration 34 Kreuzer für eine leichte 28 Kreuzer.”

Die Mundportion, mit der die Soldaten verpflegt werden mussten, bestand in der Regel aus Fleisch, Brot und Bier und die Pferderation aus Hafer, Heu und Stroh.

Für die Verpflegung, sowie für die geleisteten Vorspänne, musste man sich von den Truppen, für die diese Leistungen erbracht wurden, eine Quittung geben lassen, und bekam dann die Kosten von einer Zentralstelle, für Scheringen war diese in Mudau (später erfolgte die Regulierung häufig vom Bezirksamt in Buchen aus), vergütet. Das Beibringen der geforderten Quittungen war sicherlich noch einfach, so lange es sich um verbündete Regimenter handelte, mit denen man sich auch „sprachlich” einigermaßen verständigen konnte, doch es wurde mit Fortdauer des Krieges immer schwieriger, und seit dem Rückzug der von Hunger und Krankheit gekennzeichneten Regimenter aus dem Osten, hatte der Schultheiß oftmals seine liebe Mühe, die notwendigen Unterschriften auf den Quittungen zu bekommen.

So beschwert sich der Rechnungssteller, Vogt Michael Gramlich dass er von der ersten russischen Einquartierung im Jahr 1815 keine Quittung erhalten habe wie folgt: … sondern von von dem Commandirt Officier nach Abforderung derselben nach Mudau verwiesen worden seyn, welche der Officier so in Einbach gelegen besorgen solle, welches aber auch nicht geschehen …“ Als Zeugen für seine Aussage gibt Gramlich den Einbacher Vogt Noe an.

Ob diese Ausgaben letztlich von Seiten des Bezirksamtes anerkannt wurden, bleibt ungewiss. Bestritten wurden die Kriegskosten v. a. durch die Erhebung von Schätzungen, einer gemäß bestimmter Einschätzungskriterien auferlegten Sondersteuer für verschiedene Zwecke. So mussten von den Scheringer Einwohnern in den Jahren 1793-1800 insgesamt rund 3.500 Gulden an Schatzungsgeldern (z. B. für den Landsturm, als Beitrag zu den hohen Mudauer Kriegskosten, als Anteil an den 10 an den Miltenberger Commisar gelieferten Ochsen usw.) aufgebracht werden. Da viele Ortseinwohner nicht mehr in der Lage waren ihren Schatzungsanteil zu bezahlen, und auch sonst kein Geld in der Gemeindekasse war, musste Kapital aufgenommen werden.

Es wurden zunächst 600 Gulden und später nochmals 300 Gulden an Kapital zu 5 % Zins aufgenommen. Des weiteren hat der Schultheiß Michael Gramlich in dieser Zeit auch 240 Gulden aus seiner eigenen Tasche „für die Gemeindeausgaben zugeschossen”. Dies ist nicht verwunderlich, musste er doch von Zeit zu Zeit „einen Laubtaler zur Erleichterung von Vorspannen und Einquartierungen spendieren”, denn die Regulierung dieser Leistungen durch die Amtskasse ließ nicht selten mehrere Jahre auf sich warten, und so wurde es immer schwieriger, Freiwillige unter den Ortseinwohnern zu finden.

Die Herren von Leitungen und das Großherzogtum Baden

Der Deutsche Reichstag zu Regensburg, am 25. Februar 1803, bedeutete auch für Scheringen einen Wechsel des Landesherrn. Durch den sog. „Reichsdeputadonshauptschluß”, der unter anderem die „Säkularisierung” = Überführung des weltlichen Besitzes der Kirchen in den Besitz der weltlichen Fürsten) verkündete, war auch das Ende für Kurmainz gekommen. Die Amtsvogtei Mudau, zu der Scheringen ja gehörte, kam an das Fürstentum Leiningen. Die Fürsten zu Leiningen zu Amorbach hatten ursprünglich ihr Herrschaftsgebiet im Elsaß und der Linksrheinischen Pfalz mit Residenz in Dürkheim. Sie erhielten nun, durch die von Napoleon herbeigeführte Entschädigung, ein Gebiet, das geschlossen von der Main-Taubergegend bis in den Kraichgau reichte, und somit um ein Vielfaches größer war als das ursprüngliche.

Unter all den Veränderungen, die sich unter den neuen Landesherrn ergaben, sollte wohl der Beschluss, eine gut ausgebaute Straße für den Weg von Mannheim nach Würzburg zu schaffen, für Scheringen in den folgenden Jahren am gravierendsten sein. Der alte Weg von Mannheim nach Würzburg führte über Adelsheim-Boxberg. Nun machte man sich daran, eine kürzere Verbindung von Oberschefflenz abzweigend über Waldhausen-Buchen-Walldürn auszubauen. Der Leininger Regierung gelang es zwar nicht, während ihrer Regierung diese Straße zu vollenden; die „Chaussee” wurde 1806-1811 von Baden fertiggestellt, doch sollte sie in den nächsten Jahren zu einer wichtigen Marschstraße für die verschiedenen militärischen Verbände werden.

So schwungvoll und mit zahlreichen Plänen zur Verbesserung der Infrastruktur in ihrem neugewonnenen Gebiet, wie die Herrschaft der Leininger begonnen hatte, währte sie jedoch nur wenige Jahre.

Unter dem politischen Druck Napoleons, aber auch um das eigene Streben nach teritorialem Zugewinn zu befriedigen, schlossen sich 16 Deutsche Staaten, darunter auch Baden, dem 1806 durch Napolen gegründeten „Rheinbund“ an.

Das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“ hatte aufgehört zu existieren.

Für Baden allerdings schienen sich die neuen Herrschaftsverhältnisse ausgezahlt zu haben. Es wurde zum Großherzogtum erhoben, und die Fürstentümer Leiningen und Löwenstein verloren ihre Landeshoheit an Baden. In Karlsruhe, der Residenzstadt der Badischen Großherzöge, ging man sofort daran, das neugewonnene Land verwaltungsmäßig zu organisieren. Bei der Aufgliederung in die sog. Justizämter behielt man jedoch häufig die vorhandenen Verwaltungsstrukturen bei, und so änderte sich auch für Scheringen wenig. Mudau behielt seinen Verwaltungssitz und wurde Justizamt und das übergeordnete Bezirksamt wurde in Buchen eingerichtet.

Die neue starke Abhängigkeit, in der sich Baden von Frankreich befand, bekam man auch in Scheringen zu spüren. So musste ein Exemplar des „Code Civil” (= ein allgemeines bürgerliches Gesetzbuch) angeschafft werden, das sich, laut Inventarverzeichnis der Gemeinderechnungen, noch viele Jahre im Besitz der Gemeinde befand.

Aber auch die im Land befindlichen Franzosen ließen es sich recht gut gehen. So mussten die Scheringer im Jahr 1806 eine Schätzung erheben und an den Kronenwirt in Buchen abführen. Es ist wahrscheinlich, dass es sich um einen Beitrag zu den Feierlichkeiten anlässlich Napoleons Geburtstag am 15. August handelte, der von den in Buchen stationierten französischen Soldaten ausgiebig gefeiert wurde.

Alles in allem hielten sich die Kriegskosten in den Jahren 1800-1810 noch in Grenzen. Man konnte zwar die aufgenommenen Kapitalien nicht zurückzahlen, aber man war immerhin in der Lage, für die anfallenden Zinsen aufzukommen. Daneben musste die Gemeinde außerdem ihren Beitrag in Form von Schatzungen an die Abtragung der Mainzer und Leiningischen Landesschulden leisten, bei denen es sich ja größtenteils auch um Kriegsschulden handelte.

Truppendurchmärsche während der Befreiungskriege

In den Jahren bis 1813 waren es vor allem Kosten für die durchmarschierenden Truppen Napoleons und seiner Hilfsvölker in Richtung Osten, die für Scheringen entstanden, da Baden als Mitglied des Rheinbundes ja an der Seite Napoleons gegen die Verbündeten kämpfte.

Anfangs schien es so, als könnten die Verbündeten Napoleon nicht aufhalten. Doch der Brand von Moskau im Jahre 1812 brachte die entscheidende Wende und nach der Völkerschlacht bei Leipzig, am 19. Oktober 1813, war Napoleons Niederlage endgültig besiegelt, und es blieb ihm nichts mehr übrig als den Rückzug anzutreten.

Verfolgt wurde er von den russischen Truppen, von denen auch in Scheringen die ersten im November/Dezember 1813 eintrafen. Die Angst der Bevölkerung vor den „Russen” war sicherlich berechtigt, aber es war auch kaum verwunderlich, dass diese mit ihren ehemaligen Kriegsgegnern, zu denen ja auch die Badener gehörten, nicht besonders zimperlich umgingen.

Irgendwann im November/Dezember des Jahres 1813, der genaue Termin geht aus der Scheringer Kriegskostenrechnung nicht hervor, müssen dann die ersten russischen Kürassiere ihr 3-wöchiges Standquartier in Scheringen aufgeschlagen haben. Es spricht vieles dafür, dass die Soldaten um den 19. November eintrafen, da an diesem Tag auch ein Überfall russischer Kürassiere auf Buchen stattfand.

Sicher ist aber, dass dieses russische Standquartier die Scheringer besonders hart traf. Einen kleinen Einblick über die hohen Ausgaben, die dieses Lager verursachte, gibt die nachträglich aufgestellte Kriegskostenrechnung, deren Notwendigkeit sich ergab, weil in der „offiziellen Rechnung” diese Kosten größtenteils nicht aufgeführt werden. Die Gründe hierfür waren, dass entweder kein Quittungen für diese Ausgaben existieren oder weil diese irgendwo verschollen waren. Daher entschlossen sich die Mitglieder des Scheringer Bürgerausschusses nach der Verlesung der „offiziellen Rechnung von 1806-1818″ zu einer Art Protesterklärung. Sie führten an, dass die kleine, aus 25 Bürgern bestehende Gemeinde, weit höhere Ausgaben durch Einquartierungen usw., aber auch durch zahlreiche verlorengegangene Wagen und Pferde gehabt hätte, als in der Rechnung vermerkt sei. Sie baten daher um die Aufstellung einer nachträglichen Rechnung, was dann 1820 auch geschah.

Diese Rechnung gibt nun einen guten Aufschluss über das Verhältnis Einquartierte – Quartiergeber. So führt man gleich zu Beginn dieser Nachtragsrechnung folgendes an:

„Bey der übermäßigen Einquartierung von K. RUSS. Curasier, welche 3 Wochen lang dahier Standquartier hielten, solche während ihrem hierseyn nicht nur überflüßig Ihre Pferde verpflegten, sondern bey ihrem Abmarsch noch bis 40 Malter Haber und etwa 40 Cent. Heu gleichsam gewalthätiger Weise mitnahmen …“

Für diese Einquartierung, von der keine genauen Zahlen belegt sind, mussten von den Ortseinwohnem aufgebracht werden:

176 Malter Hafer, zum Preis von 6 Gulden pro Malter
200 Zentner Heu, zum Preis von 5 Gulden pro Zentner
600 Bund Stroh, zum Preis von 8 Kreuzern pro Bund
40 Malter Hafer,
den die Soldaten beim Abmarsch mitnahmen, zum Preis von 6 Gulden pro Malter
40 Zentner Heu, ebenfalls von den Soldaten einfach mitgenommen, zum Preis von 3 Gulden pro Zentner
400 Maß Branntwein, die zum größten Teil bei auswärtigen Wirten gekauft werden mussten, zum Preis von 1 Gulden pro Maß
l Rind,
das bei der Einquartierung geschlachtet wurde, zum Preis von 53 Gulden 45 Kreuzern
80 Säcke,
die zum Transport des Hafers entwendet wurden, zum Preis von 1 Gulden pro Sack.

Des weiteren mussten für die Verpflegung der Soldaten noch aufgebracht werden:
– dürre Zwetschgen
– frische Butter
– Erbsen
– Mehl
– Fleisch, welches beim Metzger Hauk in Mudau gekauft wurde.

Außerdem entstanden Kosten für Eisen und Schmiedearbeiten, wobei man, wie in der Rechnung vermerkt wurde, falls notwendig bereit sei, dies auch einzeln aufzuführen.

Auch gibt man an, dass bei dem inzwischen verstorbenen Vogt Gramlich, sowie bei anderen Ortseinwohnern „Staabs und OberOfficiere“ verpflegt worden seien, für die „Kostspielige Kosten” entstanden.

Alles deutet daraufhin, dass Scheringen von dieser und auch von späteren russischen Einquartierungen, von Kosaken und Ulanen vergleichsweise hart betroffen wurde, denn man durfte mit Genehmigung des Bezirksamtes in Buchen von den Nachbargemeinden Naturallieferungen ins Ortsmagazin erheben. Ebenso wurden von den Nachbargemeinden Schätzungen über insgesamt 1.238 Gulden nach Scheringen abgeführt.

Die russischen Einquartierungen des Jahres 1813 waren aber nur der Beginn nun häufig wechselnder kurzzeitiger Standquartiere verschiedener Kriegsvölker.

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Die Einquartierungen und Versorgung von durchziehenden Truppen war eine große Belastung für die Bevölkerung.

Nachdem die Verbündeten bei der Verfolgung Napoleons bis nach Paris gekommen waren, und Napoleon 1814 auf Elba verbannt wurde, begann der Rückzug der Truppen aus Frankreich und brachte für Scheringen abermals zahlreiche Einquartierungen. Doch die meisten Soldaten waren noch nicht in ihre Heimatländer zurückgekehrt, da traf die Meldung ein, Napoleon befände sich wieder in Frankreich. Pfreußen und EngIand erschienen daraufhin sofort mit ihren Truppen, und Napoleon wurde am 18.06.1815 bei Wateerloo entscheidend geschlagen. Aber auch Zar Alexander I. von Rußland eilte mit seinen Truppen in Richtung Paris. Er selbst hat sich wahrscheinlich Anfang Juli 1815 in unserem Raum aufgehalten, da das Hauptquartier der Verbündeten in dieser Zeit zuerst in Heilbronn und später in Heidelberg war. Er selbst soll am 15.Juli 1815 mit einer Equipage durch Buchen gekommen sein, wo seine Pferde verpflegt wurden.

Auch in Scheringen waren in diesen wichtigen Monaten des Jahres 1815 zahlreiche russische Regimenter einquartiert. So ist bei den Quartierangaben auch mehrfach vermerkt, dass es sich nicht nur um einfache Offiziere mit ihren Soldaten gehandelt hat, sondern dass auch „Capitaine” mit ihren Bediensteten hier Quartier hielten.

Seit dem Ende des Jahres 1817 setzte nun der Rückzug der Truppen aus Frankreich ein. Besonders jetzt machte sich die gute Organisation bei den Truppendurchmärschen bemerkbar. Es gab für diesen Rückmarsch mehrere Marschstraßen, von denen eine auch von Mosbach über Oberschefflenz – Buchen Walldürn – Hardheim – Bischofsheim nach Würzburg führte, und somit auch für Scheringen wieder zahlreiche Einquartierungen brachte.

Die Marschstraßen waren in Etappenstationen eingeteilt, und die Verpflegung wurde größtenteils aus speziell hierfür eingerichteten Magazinen vorgenommen. Die Lieferung zu diesen Magazinen mussten allerdings auch wieder von den einzelnen Gemeinden nach einem bestimmten Umlagesatz aufgebracht werden. So musste Scheringen Lieferungen an die Magazine von Walldürn, Adelsheim. Mudau und Wertheim leisten.

Aufgrund der guten Organisation wusste die jeweilige Gemeinde dann zumindest einen Tag zuvor, welche Regimenter eintrafen, bzw. wieviele Vorspänne und wohin diese zu leisten waren. Dabei wies man jeweils „auf die persönliche Verantwortlichkeit” des Ortsvorstandes hin, der für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen hatte. Wie stark gerade die Vorspänne in den Jahren 1815-1818 die einzelnen Ortseinwohner getroffen haben, zeigt die nachfolgende Aufstellung für den Monat Juni 1815.

Verluste, wie z. B. den eines Pferdewagens von Mathes Walter bei Kronach, wurden von der Gemeindekasse meist sofort vergütet, in der Hoffnung, die Ausgaben von einer „höheren Stelle” ersetzt zu bekommen. Sonst wäre es sicherlich noch schwieriger gewesen, überhaupt noch Wagen für solche Vorspänne zu bekommen.

Die finanzielle Situation der Gemeinde verschlechterte sich zusehends, und man musste 1813 erneut 906 Gulden Kapital aufnehmen. Die Zinsen hierfür konnten nicht mehr bezahlt werden, und so schlug man sie dem Kapital zu.

Das Ortsgericht und der Bürgerausschuss geben die Kriegskosten für die Jahre 1813-1818 alleine mit 11.031 Gulden und 5/8 Kreuzer an, und dies, so bestätigten die Mitglieder des Ortsgerichts und des Bürgerausschusses per eigenhändiger Unterschrift, seien bei weitem nicht alle Kosten, vor allem bei der Lieferung an auswärtige Magazine sowie bei den Mundportionen seien noch Rückstände, die man aber nicht mehr belegen könne. Des weiteren bittet man im Anschluss an die nachträgliche aufgestellte Rechnung, „dass man hierauf gnädige Rücksicht zu nehmen geruhen möge”.

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Folgen für die Zukunft

Diese Bitte war wohl so etwas wie ein letzter Versuch, die finanzielle Situation etwas freundlicher zu gestalten. Die fast dreißig Jahre währenden kriegerischen Auseinandersetzungen hatten der Gemeinde den dritten Landesherrn und vor allem einen ganzen Berg Schulden gebracht. Verschlimmert wurde die durch die vielen Einquartierungen knappe Versorgungslage noch durch eine katastrophale Missernte im Jahre 1816 in ganz Deutschland. Es regnete fast das ganze Frühjahr und den Sommer hindurch unaufhörlich, und im Herbst war praktisch noch keine Frucht zur Reife gelangt.

Da es durch die vielen Einquartierungen, Mundportionen und Lieferungen an auswärtige Magazine nicht möglich war, Vorräte anzulegen, war die Gemeinde gezwungen, „bei der bestandenen außerordentlichen Fruchttheurung und Brodmangel” zur Versorgung der Bedürftigen im Ort erneut Kapital aufzunehmen. Man versuchte diese Ausgaben unter Kriegskosten abzusetzen, aber das Bezirksamt erklärte kurz und bündig, dass dies keine Kriegskosten seien, „und also auch nicht hierher gehörten”. Aber neben all dem Ärger und den Kosten, den diese Jahre Scheringen gebracht haben, haben die Gedanken der französischen Revolution, der Kontakt mit den vielen fremden Soldaten und die häufigen Wechsel der Machtverhältnisse, in den Einwohnern ein wachsendes Selbstbewusstsein erzeugt und das Obrigkeitsbild verändert, was bereits in der „mutigen Forderung” nach einer nachträglichen Kriegskostenrechnung mit der Erfassung aller Kosten ihren Ausdruck fand.


 
Quellen:
700 Jahre Stadt Buchen Dr. Theodor Humpert – Mudau im Odenwald Verschiedene Gemeinde- und Kriegskostenrechnungen, sowie Akten aus dem Gemeindearchiv Limbach.
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